Vor genau 80 Jahren zogen Soldaten der Alliierten durch Dormagen und befreiten die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger. Dies war das Ende des Zweiten Weltkriegs in Dormagen, obwohl noch immer deutsche Truppen von der anderen Rheinseite aus die Alliierten – und damit auch die Zivilbevölkerung in Dormagen – beschossen. Erst einige Wochen später wurde die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus endgültig geschafft. Zum Gedenken an die Befreiung Dormagens an diesem 5. März 1945 veranstaltete die Stadt Dormagen am gestrigen Aschermittwoch eine Gedenkfeier. Weit mehr als 100 Bürgerinnen und Bürger – darunter vor allem Schülerinnen und Schüler, Mitglieder der Dormagener Reservistenkameradschaft und vier amerikanische Soldaten – nahmen an der Veranstaltung teil. Neben Gedenkansprachen von Bürgermeister Erik Lierenfeld und Kreisarchivar Dr. Stephen Schröder gab es mehrere sehr emotionale Wort- und Filmbeiträge sowie ein Interview mit zwei Zeitzeugen.
„Die Befreiung Dormagens ist der Beweis dafür, dass das Böse niemals triumphiert, solange Menschen bereit sind, für das Gute einzutreten. Doch das erfordert Wachsamkeit. Wir dürfen das Vergangene nicht vergessen – denn jede Erinnerung ist eine Mahnung. Eine Mahnung, achtsam zu sein, wenn unsere Freiheit und unsere Demokratie angegriffen werden“, sagte Bürgermeister Erik Lierenfeld. „Deshalb danke ich allen, die die Erinnerung an diese Zeit wachhalten. Dabei berührt es mich enorm, wenn sich auch Schülerinnen und Schüler für das Gedenken stark machen. Ich habe den Film nun bereits zweimal gesehen und jedes Mal bewegt er mich zutiefst. Diese Aufarbeitung durch die junge Generation ist wirklich sehr gelungen. Der Film trifft genau ins Herz. Vor allem die Darstellung, dass die Kinder damals von den Nationalsozialisten nur als Arbeitskräfte und nicht als Kinder gesehen wurden, hat mich nachdrücklich betroffen gemacht. Das beschäftigt einen.“
Gemeint war ein Film der Klasse 9c des Norbert-Gymnasium Knechtsteden unter der Leitung von Julia Müller. Der Betrachter folgt einem jungen Mann über das Gelände in Knechtsteden zum Soldatenfriedhof und hört nach und nach immer mehr Stimmen, die aus Kriegstagebüchern das damals erlebte Grauen vorlesen. Zudem zeigen die Schülerinnen und Schüler auf, wie es auf ihrem Schulgelände während des Zweiten Weltkriegs aussah und was dort passierte. Dabei unterstrichen sie: „Die Erinnerung wachhalten ist wichtig. Unsere Demokratie muss aktiv verteidigt werden.“
Dr. Stephen Schröder begann seinen Vortrag ebenfalls mit bewegenden Zitaten aus dem Tagebuch der Zonserin Gertrud Stelzmann, die detailliert die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs und des Nazi-Regimes beschrieb. Zudem zitierte er Theodor Heuss mit den Worten: „Der 8. Mai 1945 bleibt die tragischste und fragwürdigste Paradoxie der Geschichte für jeden von uns. Warum? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.“ Dem stimmt Dr. Schröder zu und betont: „Wir sollten den West-Alliierten noch heute dankbar sein!“
Besonders emotional wurde es auch, als Bürgermeister Lierenfeld die zwei Zeitzeugen Nikolaus Schmitz und Heinz Krosch interviewte. Der heute 85-jährige Schmitz berichtete, wie er mit seiner Mutter Wäsche im Garten aufgehangen hatte, als plötzlich das Dorf von der anderen Rheinseite beschossen wurde. „Überall um uns herum flogen Granaten, eine davon schlug nur etwa 60 bis 70 Meter vor uns ein. Meine Mutter und ich rannten schnell in den nahegelegenen Bunker, doch die beiden Frauen im Garten nebenan hatten nicht so viel Glück wie wir. Ich sah, wie eine von beiden gekrümmt auf der Erde lag. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass beide gestorben sind“, berichtete Schmitz. Das alles hatte den Jungen so mitgenommen, dass er damals über eine Woche nicht mehr gesprochen hatte und anschließend stotterte. „Ich habe gedacht, die Welt geht unter.“ Schmitz musste miterleben, dass viele Menschen starben – darunter auch zwei Verwandte. Eine normale Kindheit hatte er nicht. Er hielt sich nicht auf der Straße auf, immer bereit in den Keller oder Bunker zulaufen. „Es war eine schlimme Zeit! Das kann sich niemand vorstellen, der es nicht selbst erlebt hat“, sagte Nikolaus Schmitz.
Das bestätigte auch der 87-jährige Heinz Krosch. Er verlor im Krieg seine Mutter, die durch Granatsplitter schwer verletzt wurde und 14 Tage später verstarb. Auch er musste mit ansehen, wie zahlreiche Menschen verwundet wurden und starben. „Ich kann mir nur wünschen, dass sich so etwas nie mehr wiederholt“, sagte Krosch.
Für Krosch und Schmitz sind die Erinnerungen an den 5. März 1945 hingegen positiv: „An diesem Tag habe ich zum ersten Mal einen Schwarzen gesehen. Die amerikanischen Soldaten waren sehr freundlich zu uns und haben uns Kindern Schokolade und Rosinen geschenkt“, berichtete Schmitz. Krosch ergänzte: „Ich kann mich noch genau an das Gepolter eines Tages an unserer Tür erinnern. Ich öffnete und vor mir stand ein großer amerikanischer Soldat. Da ist mir das Herz in die Hose gerutscht. Aber er war sehr freundlich und schenkte auch uns Schokolade.“
Im Anschluss an die Berichte der Zeitzeugen präsentierte der Dormagener Dokumentarfilmer Egmont Worms ebenfalls einen kurzen Film. Danach zog ein Gedenkzug – angeführt von der Dormagener Reservistenkameradschaft und vier amerikanischen Mitgliedern der „Color Guard“ unter Leitung von Sergeant Kingsley Uba – zum Historischen Rathaus. Vor Ort folgten Wortbeiträge der Schülerinnen Lara Kroll und Fiona Podschuk der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule und des Schülers Magnus Gangey des Bettina-von-Arnim-Gymnasiums sowie ein ökumenisches Friedensgebet durch Pfarrer Frank Picht und Pastor Dr. Heribert Lennartz und die Kranzniederlegung. Musikalisch begleitet wurde die Gedenkstunde vor dem Historischen Rathaus vom Musiker Emanuel Dähn auf der Trompete.