„Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit“

Am Donnerstag, 8. November, präsentierte die Landeszentrale für politische Bildung einen literarischen Kammermusikabend des Ensembles Opus 45 in der Stadtbibliothek. Wir haben diese Gelegenheit für ein persönliches Gespräch mit dem Schauspieler Roman Knižka über Kindheit in der DDR, Hetze und Gewalt im politischen Diskurs und den Tatort Dormagen genutzt.

 

Herr Knižka, inwiefern verändert es Ihren Blick auf die Bundesrepublik und ihre Geschichte, dass Sie selbst in der DDR aufgewachsen sind?
Natürlich habe ich dadurch einen speziellen Zugang zu bestimmten Themen: ich wundere mich beispielsweise darüber, dass sich – auch kluge! – Westdeutsche mitunter damit zufrieden geben, die Wahlerfolge der AfD in meiner Heimat Sachsen mit Sprüchen zu kommentieren, wie z. B.: »Die haben doch kaum Ausländer im Osten, was regen die sich eigentlich so auf …?« Auch manche Medien stoppen leider schon an diesem Punkt mit ihrer Berichterstattung und wenden sich ab. Das erstaunt mich, weil wir doch eigentlich wissen, dass viele Probleme in der Euphorie der Wiedervereinigung ausgeblendet oder bewusst verdrängt wurden. Um ein paar Beispiele zu nennen: die verfehlte Treuhand-Politik, der Elitenaustausch, die Abwertung von Berufsabschlüssen, der Verlust von Betriebsrenten und – ganz allgemein, – der Verdacht politischer Rückständigkeit, weil man in der DDR und damit in einer Diktatur gelebt habe. Diese »Nachwendeungerechtigkeiten« manifestieren sich nun in extrem besorgniserregenden Wahlergebnissen und schlagen mitunter sogar in offene Gewalt um. Das ist schrecklich, was Gewalt und Hetze angeht unverzeihlich und auch nicht zu relativieren, wird jedoch durch eine politisch bestenfalls oberflächliche Aufarbeitung dieser Themen nicht verändert werden können.    


Wie politisch war Ihr Elternhaus?
Eigentlich eher unpolitisch. Meine Eltern, beide Künstler, hofften wie viele Gleichgesinnte nach dem Mauerbau 1961 auf ein offeneres gesellschaftliches Klima. Das klingt für heutige Ohren zunächst suspekt, war so ungewöhnlich aber nicht, sondern unter Intellektuellen Anfang der 1960er Jahre eher Mainstream. Vor Errichtung der Mauer – des »antifaschistischen Schutzwalls«, – sah man sich politisch an der vordersten Front eines aufziehenden Kalten Krieges, gewissermaßen »im Schützengraben«, und dort wird bekanntlich weder gesungen, noch getanzt. Spätestens 1965 mit dem sogenannten »Kahlschlag-Plenum« und den folgenden drastischen Zensuren war den allermeisten Künstlern in der DDR aber klar, wohin die Reise geht. Meine Eltern hatten sich letztlich innerhalb dieses Systems mehr schlecht als recht »arrangiert«, aber ihre innere Kündigung geschrieben. Man musste ja irgendwie leben.  

 

Ihr aktuelles Bühnenprogramm mit dem Bläserquintett Ensemble Opus 45 beschreibt Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland nach 1945. Wenn Sie die Botschaft dieses Stücks in einem Satz zusammenfassen müssten, der auch auf einer Plakatwand in der Dormagener Fußgängerzone wirkt: Welcher Satz wäre das?
Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.« Dieses Zitat des italienischen Schriftstellers und Auschwitz-Überlebenden Primo Levi aus dem Jahr 1986 fasst das Thema des Abends perfekt zusammen. Wir müssen allesamt wachsam bleiben: Freiheit und Demokratie sind keine Selbstverständlichkeit, sondern wurden über Jahrzehnte hart erarbeitet. Übrigens auch von vielen Ostdeutschen.


Welche Rolle spielt die Musik in dem Programm?
Eine tragende Rolle! Meine wunderbaren KollegInnen vom Ensemble Opus 45, mit denen ich bereits seit acht Jahren zusammenarbeite, moderieren mit ihrer Musik die Texte, reagieren musikalisch auf sie, greifen Stimmungen auf. Gespielt werden Werke von Komponisten, die im Nationalsozialismus ausgegrenzt, verfolgt oder ermordet wurden: Paul Hindemith, György Ligeti und Pavel Haas. Auch szenisch haben wir uns für dieses Projekt manches einfallen lassen, was im Kontext von klassischen Konzerten oder Lesungen eher ungewöhnlich ist: wir visualisieren die einschneidenden Geschehnisse mit Zeit-Objekten. Eine alte Kreidetafel mit dem Befreiungsdatum Buchenwalds, eine nachgestellte Fernsehansprache von Konrad Adenauer, die Aktentasche des Studentenführers Rudi Dutschke, historische Plakate vom Oktoberfest 1980 – diese und andere Elemente verdichten den Gang durch die Geschichte rechter Gewalt in Deutschland und zeigen die erschreckende Chronologie der Ereignisse.


Sie haben bereits häufig in Tatorten mitgewirkt: wenn Sie Tatort-Kommissar wären, in welcher Stadt würden Sie dann ermitteln?
Plant der WDR etwa ein eigenes Tatort-Team für Dormagen? Falls ja, wäre ich natürlich gern mit dabei …