Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels und der damit verbundenen Belastungen in den Kindertagesstätten startet die Stadt Dormagen ein richtungsweisendes Pilotprojekt. Ziel ist es, die Betreuungssituation in städtischen Kitas grundlegend zu verbessern. Im Gegensatz zur aktuellen Strategie der Landesregierung, die auf eine Erhöhung der Kinderzahlen pro Betreuungsperson setzt, verfolgt Dormagen einen komplett gegensätzlichen Ansatz: Die Gruppenstärke der Kinder soll um rund 20 Prozent reduziert werden. Unabhängig vom Pilotprojekt erhalten weiterhin alle Kinder einen Kitaplatz, die Bedarf haben.
„Wir haben erkannt, dass der Bildungsauftrag unserer Kitas unter den aktuellen Bedingungen kaum noch erfüllt werden kann“, erklärt Bürgermeister Erik Lierenfeld, der selbst vor einigen Monaten in einer Kita hospitiert hat. „Die Mitarbeitenden sind überlastet, krankheitsbedingt fallen viele für längere Zeit aus. Die Kinder werden, wenn es schlecht läuft, weniger pädagogisch gefördert und es kommt zu einer reinen Verwahrung von Kindern. Vor allem bei der neuesten Idee der Landesregierung NRW. So kann es nicht weitergehen. Mit diesem Pilotprojekt wollen wir wieder Qualität und Verlässlichkeit in die Betreuung bringen. Wir schlagen hier einen gänzlich anderen Weg ein als die Landesregierung.“
Das Pilotprojekt sieht vor, die Kinderzahl je Gruppe im Ü3-Bereich von derzeit 20 bis 22 Kindern auf 15 bis 17 Kinder und im U3-Bereich von zehn auf acht Kinder zu reduzieren. Dadurch soll das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Kindern verbessert werden. Der Ansatz verspricht Entlastung für das pädagogische Personal, eine geringere Krankheitsquote und damit eine stabilere Betreuungssituation.
„Während das Ministerium meint, eine Fachkraft für 60 Kinder sei eine Lösung, halten wir das für völlig realitätsfern und untragbar“, betont Thomas Rütten, Leiter des Produktbereichs Tagesbetreuung für Kinder. „Das Kindeswohl bleibt dabei auf der Strecke. Kleinere Gruppen bieten dagegen eine echte Chance, damit Kinder entspannter und gezielter lernen können.“
Neben der Entlastung des Personals erwartet sich die Stadt von dem Pilotprojekt eine deutlich höhere Zuverlässigkeit bei den Betreuungszeiten. Gruppenschließungen sollen durch die geringere Kinderzahl seltener bis gar nicht mehr nötig sein. Das Projekt wird ab 1. August 2025 über ein Jahr hinweg in den städtischen Kitas erprobt und eng begleitet. Alle relevanten Daten werden systematisch ausgewertet und es soll Abfragen bei Eltern und Personal zur Pilotphase geben. Sollte der Ansatz erfolgreich sein, ist eine Ausweitung auf alle Kitas in Dormagen, unabhängig vom Träger, denkbar.
„Wir wissen, dass dieser Schritt mutig ist“, so Lierenfeld abschließend. „Aber wenn wir die Situation in unseren Kitas nachhaltig verbessern wollen, müssen wir jetzt mit neuen und innovativen Ideen handeln. Ich würde mich freuen, wenn sich darauf ein weiterer Baustein des Dormagener Modells entwickelt, der wieder landesweit ausgerollt werden kann – natürlich mit finanzieller Unterstützung des Landes, da wir jetzt wieder einmal in Vorleistung gehen.“