Freizeitassistenz: ein Stück Selbstbestimmung

Nach der Schule in der Stadt mit Freunden ein Eis essen. Am Wochenende zum Fußballspiel ins Stadion fahren. Morgens ins Schwimmbad oder abends in die Disko. Für die meisten Personen liest sich diese Auflistung wie gewöhnliche Freizeitaktivitäten. Für Menschen mit Behinderungen sind allerdings solche Unternehmungen häufig mit viel Aufwand verbunden. Eine Freizeitassistentin oder ein Freizeitassistent können Betroffenen helfen, ihre Freizeit ein großes Stück selbstbestimmter zu gestalten.

2007 wurde das sogenannte „persönliche Budget für selbstbestimmtes Leben“ als Gesetz verabschiedet. Es soll die Teilhabe und Inklusion behinderter Menschen in das soziale Leben vereinfachen. Es ist eine finanzielle Unterstützung, die es ermöglicht, benötigte Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben selbstständig zu organisieren und zu bezahlen. „Das war der Start in einen neuen, spannenden Abschnitt im meinem Leben“, sagt Torsten Patzwaldt. Der gebürtige Hackenbroicher ist 46 Jahre alt und lebt gemeinsam mit einer 24-Stunden-Assistenz, die durch das persönliche Budget bezahlt wird, in seiner „privaten WG“. „Dank des persönlichen Budgets habe ich seit Anfang 2008 die finanziellen Mittel, vier Arbeitsplätze im Rahmen des Arbeitgeber-Modells zu schaffen“, sagt Patzwaldt. Seine vier Assistentinnen und Assistenten rotieren alle vier bis sieben Tage im Blockdienst. Sie decken mit Ausnahme der Behandlungspflege sämtliche Pflegebedarfe individuell ab.

In den vergangenen Jahren ist Torsten Patzwaldt in seiner Freizeit viel rumgekommen. „Unter anderem waren wir gemeinsam bei Konzerten von Kiss, Udo Lindenberg oder Herbert Grönemeyer. Auch beim Fußball im Stadion in Köln und Mönchengladbach konnte ich die Atmosphäre vor Ort genießen“, sagt Patzwaldt. Auch ein Museumsbesuch, Comedy-Veranstaltungen und sogar eine einwöchige Reise nach Wien standen dabei ebenfalls auf der Agenda. Über seine Erfahrungen hielt er Ende vergangenen Jahres einen Vortrag im Historischen Rathaus und konnte damit weitere Menschen von den Vorteilen des persönlichen Budgets überzeugen.

Alle Menschen mit einer körperlichen, seelischen oder geistigen Beeinträchtigung haben Anspruch auf ihr individuelles persönliches Budget. Hilfe bei der Antragsstellung auf Eingliederungshilfe bekommen die Betroffenen aus Dormagen unter anderem bei der Koordinierungs-, Kontakt-, und Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung im Rhein-Kreis Neuss (KoKoBe), www.kokobe-rkn.de, sowie bei der Senioren- und Behindertenbeauftragten der Stadt Monika Brockers, monika.brockers[@]stadt-dormagen.de. „Der Einsatzbereich des persönlichen Budgets ist groß und kann individuell angepasst werden. Die Freizeitgestaltung ist dabei nur ein kleiner Teil“, erklärt Monika Brockers.

Seine Assistentinnen und Assistenten hat Torsten Patzwaldt über verschiedene Portale im Internet gefunden. „Über die Seiten assistenz.org, assistenzjobonline.de und assistenzboerse.de können Betroffene Anzeigen schalten, auf die sich interessierte Assistenzen melden können“, erklärt Patzwaldt. Der Vorteil daran sei, dass er sich die Menschen, die ihn 24 Stunden umgeben, bei den Portalen selbst aussuchen kann, sagt Patzwaldt. Auch Personen, die über den zweiten Verwandtschaftsgrad hinausgehen, können mit den Mitteln aus dem persönlichen Budget als Assistenz bezahlt werden.

Wer ein persönliches Budget erhält, muss dieses nicht selbst verwalten. Es kann bei Bedarf auch eine Hilfe für die Verwaltung des Geldes, zum Beispiel ein Steuerberatungsbüro, zwischengeschaltet werden. „Niemand kann dazu gezwungen werden das persönliche Budget zu beantragen, allerdings rate ich allen Betroffenen dazu, es zu tun und mehr Selbstbestimmung und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen“, sagt Torsten Patzwaldt.